Die Besprechung im SWF-Fernsehen

In der TV-Sendereihe des Südwestfunks Szene 74 wurde in der ersten Ausgabe des Jahres das Rock-Lexikon vorgestellt. Die Sendereihe trug den Untertitel „Magazin für Schüler und Lehrlinge“ und bekam jedes Jahr die entsprechende Jahreszahl angehängt. Laut der Webseite fernsehserien.de startete das monatliche TV-Magazin im Jahr 1972 und wurde später von Thomas Gottschalk moderiert. Die uns interessierende Sendung am 10. Januar 1974 hatte aber noch keine durchgehenden Moderation. Den knapp 3-minütigen Beitrag zum Rock-Lexikon sprach Frank Laufenberg wie ein Nachrichtensprecher direkt in die Kamera. Dabei ging er auch kurz auf die gerade gestartete Heft-Reihe Rock Dreams ein, für die Ingeborg Schober die Lexikoneinträge erstellte. Laufenberg zählt zu den bekanntesten Radiomoderatoren Deutschlands und ging zwanzig Jahre später selbst unter die Lexikonautoren. Dabei umging er die schwierige Abwägung, welche Künstler aufgenommen werden sollen, indem er alle, die jemals einen Top 10-Hit in den Charts hatte, berücksichtigte. Mit der Folge, dass sich diverse One Hit Wonder, singwütige Schauspieler und Gagtruppen in seinen Büchern tummeln. Doch das ist eine andere Lexikon-Geschichte. Hier seine strenge Kritik von 1974:

Wenn ein Lexikon erscheint, das fast alles über Popmusik und so weiter bringt und gleichzeitig in Verbund Werbung mit einigen der großen Plattenkonzerne in der Bundesrepublik geht, die eben diese Popmusik auf Platten verkaufen, muss man sich fragen, ob die Autoren alles gesagt haben, ob Mythen und Legenden, Maschen und Manipulationen beschönigt wurden. Wenn sich die Macher eines Lexikons so weit mit der Industrie einlassen, dass in dem Werk für Produkte der Plattenfirmen, die für dieses Buch werben, geworben wird, nennt man das „Eine Hand wäscht die andere“.

Im „Rock-Lexikon“ von Siegfried Schmidt-Joos und Barry Graves wird dieses sich gegenseitige Helfen deutlich. Im Mittelteil des Buches heißt es: „Ein Buch über Musik ist sinnlos, ohne akustische Ergänzung. Die Platten, die diese Ergänzung darstellen: Insgesamt 60 LPs, die bei den Firmen Bellaphon, CBS, EMI/Teldec/WEA und Deutsche Grammophon erschienen sind. Das Platten anderer Firmen wie Ariola, Deutsche Phonogram und Metronom ebenfalls nennenswertes Rockrepertoire repräsentieren, wird in einer kleinen Fußnote erwähnt. Warum sollen sich die Plattenfirmen nicht auf einen Handel mit Schmidt-Joos, dem SPIEGEL-Redakteur einlassen? Das Buch wird sicher gut verkauft, die darin empfohlenen Platten auch umgekehrt. Die alten Platten erscheinen teilweise mit den gleichen Hüllen und den gleichen Inhalten wie einst. Überzogen mit einer Plastikhülle, auf der zu lesen steht, dass es ein „Rock Lexikon“ gibt. „Eine Hand wäscht die andere.“

Zum Inhalt: Übersichtlich. Viel über viele Interpreten. Wie objektiv, ist eine weitere Frage. Schlagwörter werden verwendet, Unwesentliches gesagt. Es ist mir zum Beispiel völlig egal, ob Eric Clapton ein uneheliches Kind ist. Sein Gitarrenspiel hat das sicher nicht beeinflusst.

Auf 350 Seiten bringt das „Rock-Lexikon“ viel für 7,80 Mark. Anders: „Rock Dreams“. Zehn Hefte sollen erscheinen, die jeweils 3 D-Mark kosten. Im ersten Heft stand zu lesen: „Noch nie wurde die Geschichte des Rock so erzählt. Noch nie gab es solche Bilder.“ Das stimmt. So oberflächlich hat selten jemand ein Lexikon, ein alphabetisch geordnetes allgemeines Nachschlagewerk geschrieben. Es stimmt auch, dass es die Bilder noch nie gab. Sie sind gezeichnet, manche so banal, dass sich wohl bisher niemand bereit fand, sie zu verwenden. Nummer 6 bestand aus 14 Seiten Text, 16 Seiten Bilder und vier Seiten Werbung in eigener und in fremder Sache. Preis und Inhalt stehen in keiner Relation.

Das Buch von Schmidt-Joos und Graves sollten sich Rockinteressierte kaufen und die Gemeinschaftsaktion „Plattenfirma/Autoren“ beachten. Vom Kauf des zehnteiligen „Rock Dreams“ ist abzuraten. 3 DM pro Heft macht 30 DM – zu viel für ein Bilderbuch.

QUELLE: SWF, „Szene 74“, 10.1.1974