Die Rezension im »TAGESSPIEGEL«

Die Berliner Tageszeitung DER TAGESSPIEGEL hatte bereits Anfang der 1970er Jahre eine viel gelesen Sonntagsausgabe. In dieser wurden auf der Seite „Literaturblatt“ aktuelle Bucherscheinungen besprochen. Fester Bestandteil war die Rubrik „Taschenbuch der Woche“. Am 27. Januar 1974 kam diese Auszeichnung dem Rock-Lexikon zu.

Siegfried Schmidt-Joos, Barry Graves: Rock Lexikon. Rowohlt Taschenbuch Verlag rororo Nr. 6177. 350 Seiten, 7,80 DM. — Die Qualität eines Lexikons ist nicht kurzfristig zu ermitteln; erst der tägliche Umgang mit dem Buch, ständiges Nachschlagen und auch die gelegentliche Lektüre längerer Passagen erweisen, ob es einen bei der Suche nach Informationen im Stich läßt. Der erste Eindruck des Rock Lexikons von Schmidt-Joos, Redakteur beim „Spiegel“, und dem Berliner Musik-Journalisten Barry Graves ist durchweg positiv; wer sich beruflich mit Rockmusik beschäftigt, ist vielleicht aus dem eigenen Archiv besser bedient; für Popfans indes, für die ihre Musik ein bißchen mehr ist als die bloße Verehrung von Idolen und Mythen, leistet das Buch unschätzbare Dienste. Unter den deutschsprachigen Publikationen über Rockmusik steht das Lexikon einzigartig da; es gibt keinen Ärger über nichtssagende Jargon-Salopperien, es wird nicht an dem Schleier mitgewebt, der aus der Musik etwas anderes machen will, als sie ist, eine Ausdrucksform, die sich auf der Basis industrieller Vermarktung entwickelt und trotzdem immer wieder in regelmäßigen Abständen zu schöpferischen Höhenflügen angesetzt hat. Bestechend ist die Nüchternheit, mit der Schmidt-Joos in seiner Einführung auf die Verflechtung der Plattenindustrie mit dem Aufkommen neuer Stile hinweist. Der kritische Verstand und die Subjektivität der Urteile sind von den Verfassern nicht über Bord geworfen worden, als sie über 400 Gruppen und Solisten porträtierten. Daß sich dabei manchmal Lücken ergeben, daß das eine oder andere Thema unter den Tisch gefallen ist, liegt in der Natur der Sache; beim intensiven Durchblättern und Studium einzelner Stichworte ergibt sich indes der Eindruck, daß die Autoren das Gebiet so umfassend dargestellt haben wie keine Rock-Enzyklopädie zuvor. Ein umfangreiches Sachregister ergänzt das nützliche Nachschlagewerk.

Als Autorenkürzel steht unter der Rezension „A. F. S.“. Laut Information der TAGESSPIEGEL-Abteilung „Recherche/Dokumentation“ steht das Kürzel für den Mitarbeiter Arnd F. Schirmer. Das scheint plausibel, denn Schirmer verfasste in diesen Zeit bereits Beiträge im Bereich Musik- und Filmkultur. Später wurde er Redakteur beim Wochenmagazin DER SPIEGEL. Der auf der „Literaturblatt“-Seite angegebene Verantwortliche Hans Scholz war langjähriger Feuilleton-Chef beim TAGESSPIEGEL und laut seinem Wikipedia-Eintrag ein hochgeachteter Schriftsteller, Journalist und Maler.

QUELLE: DER TAGESSPIEGEL, 27.1.1974, S. 55